St.Galerie

«Die St.Galerie an Zürcherstrasse 20 existierte bis Mitte 1982. Das Programm mit vorwiegend jungen, damals noch unbekannten Schweizer Künstler:innen war ein Versuch, Gegenwartskunst in St. Gallen zur Diskussion zu stellen. Der Raum 3x3.5x2.4 Meter gross, war durch zwei Schaufenster vollständig einsehbar. Die Ausstellungen konnten von der Strassse her, rund um die Uhr, besichtigt werden. Die Vernissagen fanden jeweils auf der Strasse statt. Gezeigt wurden vorwiegend installative Arbeiten, die von den KünstlerInnen auf den Raum bezogen erarbeitet wurden. Die Galerie lag an der Ausfallstrasse nach Zürich. Täglich fuhren 30 tausend Autos an diesem Lokal vorbei. Ohne grossen Werbeaufwand erreichte die St.Galerie grosse Bekanntheit. Einladungskarten wurden meist von Hand hergestellt, kopiert, colloriert, gestempelt oder direkt gezeichnet. Die St.Galerie wurde schnell zu einem Ort der Auseinandersetzung für aktuelle Formen von zeitgenössischer Kunst. Das war damals auch bitter nötig, wenn man bedenkt, dass das Kunstmuseum für fast 20 Jahre geschlossen war. Ausser in den Galerien Erker, Wilma Lock und Buchmann wurde kaum Gegenwartskunst gezeigt. Der originelle Museumskonservator ohne Museum, Rudolf Hanhart, musste sich mit dem kleinen Ausstellungsraum im Katharinen begnügen. Förderungsmassnahmen durch die Stadt gab es damals praktisch keine. Immerhin wurde die St.Galerie mit dem, die Situation trefflich darstellenden 'Aufmunterungspreis' ausgezeichnet. Das mit der Preisverleihung verbundende Essen mit dem gesamten Stadtrat war fast so teuer wie die 'muntere' Gabe. In den letzten 15 Jahren hat sich einiges verbessert in den kulturellen Bemühungen. Es gab noch nie soviele Galerien, das Kunstmuseum wurde wieder eröffnet und die Kunsthalle hat sich als feste Institution etabliert. Trotzdem ist es für die St. Galler Kunstszene wichtig, dass immer wieder neue Räume kulturell genutzt werden. Im Sommer 1994 wurde mir ein leerstehendes Ladenlokal an der St. Jakobsstrasse 10 für drei Monate gratis zur Verfügung gestellt. Der spezielle Raum eignete sich dank des grossen Schaufensters dafür, die Idee der St.Galerie wieder aufleben zu lassen. Nach einer Eröffnungsausstellung mit 24 KünstlerInnen folgten fünf Einzelpräsentationen mit raumbezogenen Installationen.»
(Quelle:Josef Felix Müller, „St.Galerie 1980 – 82, Remake 1994“, in: St. Galerie, 1980-82, Remake 1994, St. Gallen: Vexer Verlag, 1994)

Rezeption

«Eine Enzyklopädie des Kommenden. Von 1980 bis 1982 zeigte Künstler/Kurator Josef Felix Müller junge Schweizer Kunst in einem prima einsehbaren Eckladen an der Zürcher Strasse, wo täglich 30'000 Autos vorbeibrausten.
Mit dabei: Walter Pfeiffer, Silvia Bächli,Olivia Etter sowie Peter Fischli und David Weiss mit ihren Flaschengeistern. 1994 wurde dieser Ort nachträglich publizistisch gewürdigt.»
(Quelle: Michelle Nicol: «Vo Lozärn gäge Wäggis zue. Reiseführer durch 104
zeitgenössische Kunsträume der Schweiz». In: Freie Sicht aufs Mittelmeer, Kat. Ausst. Zürich: Kunsthaus Zürich, 1998, S. 113).

«Wie die meisten Vorläufer hat auch Hanimann die Gelegenheit benutzt, die Galeriesituation in die Arbeit zu integrieren, indem er direkt auf die Wände malte. Mit der Möglichkeit, unkonventionelle Aktionen zu tätigen oder raumbezogen zu arbeiten, bietet Müller den Künstlern eine Chance zu schöpferischer Verwirklichung an, die sich im kommerziellen Rahmen niemand leisten kann oder will. Um den Ansprüchen der heutigen Kunst noch besser gerecht werden zu können, ist Müller schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach grösseren Ausstellungsräumen»Quelle: Christoph Schenker, "Treibhäuser junger Kunst. Nicht-kommerzielle Galerien geben der Ästhetik des Widerstands Raum", in: Zeitlupe, 13.12.1981, [o. A.], Privatarchiv Eric Hattan