Corner College

«Corner College liegt im Zürcher Kreis 4 und ist ein unabhängiger Projektraum für neue und experimentelle Formate des Ausstellungsmachens mit Fokus auf recherche- und prozessorientierter zeitgenössischer Kunst, quasi-akademischer Wissensproduktion und der Pflege diskursiver Formen zeitgenössischer Kunst und Theorie im Dialog mit urbanen Prozessen, Gesellschaft, Technologien, Forschung, Transdisziplinarität. CC aktiviert einen Raum von Mikropraktiken und Partizipation des Publikums, die in einem Netzwerk lokalen und globalen Austauschs nachhallen.

Corner College ist seit jeher einer jungen und experimentierfreudigen Kunstszene sehr verbunden. Als selbstorganiserter Raum haben wir die Flexibilität, den Kunstschaffenden Raum zu bieten für unkonventionelle Projekte, welche die Kunstpraktiken weiterentwickeln, in einen direkten Dialog mit dem Publikum treten, und Diskurse in Kunst, Alltag und Gesellschaft kritisch aufgreifen.

Unser Programm driftet in drei Hauptflüssen, die sich zeitweise kreuzen oder einander fortsetzen und Spielarten der Transdisziplinarität entstehen lassen oder sich verzweigen und in ihren Bahnen des Werdens in neue Richtungen fliessen: Kollaborationen, Perspektiven, Beziehungen.

Wir haben ein ausgedehntes und erweitertes Verständnis von Ausstellungen über den White Cube hinaus. Wir verstehen die Ausstellung als ein Ausloten neuer Formate, das sich im Verhältnis von Praxis und Medium, Sprache und Diskurs ergibt, sich selber in seinen Bedingungen reflektiert, neue Herangehensweisen sucht, welche die Disziplinen, Medien, Praktiken und Gemeinschaften überschreiten. Manche werden schwieriger als Ausstellungen zu identifizieren sein, da sie sich in die Grauzone zu Formaten wie öffentlichen Vorlesungen, Diskussionen, Screenings, performative Praktiken, zeitbasierte Kunst, Plattformen hinbewegen, andere werden sich schon erprobter Ausstellungsformate bedienen.


Corner College aktiviert einen Raum der Mikropraktiken, die im Netzwerk unmittelbarer Beziehungen operieren, die mit dem mitschwingen, was um die Ecke schwärmt (am Corner), mit den kleinen Unterschieden in der Intensität und der performativen Unbestimmtheit der molekularen Flüsse, mit dem schwebenden spatium der Mannigfaltigkeit von Wesen, Dingen und Ereignissen.

Corner College ist offen für den immer unwiderruflichen Akt der Kritik, für die Immanenz der Fabrikation: ein Leben. Es bleibt klein/mineur (was sowohl das Eine als auch die Vielen anprangert) und der Gegenwart zeitgenössisch. Wir zielen auf eine Konsistenzebene gegenüber der Prekarität ab, als Antwort auf den Wert des indirekten und direkten Diskurses und deren Quelle ausserhalb der Aussage und unterhalb der Repräsentation.

Unser Vorgehen folgt Michel Foucaults Sorge um das Selbst als die »Kunst, nicht gar so sehr regiert zu werden«, was wir in die Kunst, nicht gar so sehr zu kuratieren, übersetzen, und in die Sorge um das Selbst in demselben und im Anderen, sowie Gilles Deleuze, der den Bereich des Selbst mit dem der Individuation verbindet. Individualität ist nicht eine Eigenschaft des Selbst, sondern bildet und erhält das System des aufgelösten Selbst, des anderen Selbst – des Selbst des Anderen.

Das Andere ist die Ökologie der Koexistenz, weder eins noch vielfältig sondern eine grundlose Mannigfaltigkeit Ich – Anderes. Das Andere bezeichnet niemanden, ist weder du noch ich. Es ist eine Struktur, die nur durch variable Terme in unterschiedlichen Wahrnehmungswelten verwirklicht wird – ich für dich in deiner, du für mich in meiner – die Struktur des Konkreten, von unmerklichen intra-aktiven Festkörpern, oder »Polyeder der Verständlichkeit«.

Corner College ist ein ereignisorientierter Projektraum, eventualisiert von und bevölkert mit »atmosphärischen« oder mehrköpfigen Ereignissen und deren Potenziale. Er verlangsamt. Daraus erwachsen ideal-ideelle und transversale Verbindungen zwischen der Kunstpraxis und allen molekularen Angelegenheiten, zum molekularen Denken und zur Molekularität des Alltags. Es ist dies die Kunst des Kombinierens der Erfahrungsformen und des Kunstwerks als Experimentierens, um einen Raum der nomadischen Verteilung des Individuums herzustellen, in dem die Kunst von Gewicht ist und ein zukünftiges Volk erfindet!

Corner College wurde 2008 im Perla-Mode Zürich gegründet. Nach dem Umzug an die Kochstrasse 2011 wurde es von Irene Grillo, Sarah Infanger, Urs Lehni, Jeannette Polin, Philip Matesic und Stefan Wagner bis 2014 betrieben. 2015 schlägt ein neues Kapitel auf, in Kontinuität mit den bisherigen Aktivitäten im Corner College als einem für Zürichs künstlerische, aktivistische und intellektuelle Gemeinschaften aufgeschlossenen Raum für Veranstaltungen zwischen Kunst und quasiakademischen Bildungsprozessen.»
Quelle: www.corner-college.com/About, Zugriff vom 18.01.2018)

Beschrieb

«Das Publikum ist durchmischt, überwiegend jene um die dreissig, manche älter, manche jünger.» Jeannette Polin beschreibt hier in ihrer Lizentiatsarbeit eine Veranstaltung von Michael Hiltbrunner im Corner College: Forum KK - Forum für Forschung in Kunst und Kultur im September 2009, an welcher mittels klassischem Vortrag «ausgewählte Forscher aus Akademika oder Kunst die Ergebnisse zugänglich machen können». Hiltbrunner wird ausserdem zitiert, dass die «Räume einen ideal zwanglosen Reiz» haben. Urs Lehni wird zitiert, dass der Raum für ihn wie eine Abendschule sei, Hiltbrunner spricht von einem «Hort des jungen Bildungsbürgertums» und Thomas Zacharias meint im Corner College eine «Heimat der intellektuellen Avantgarde» auszumachen. (Polin 2009, S. 66-68Quelle: Jurybericht der Eidgenössischen Preise für Kunsträume 2009, S. 3
«Das Corner College hat sich auch im Jahr 2010 als ein äusserst aktiver und produktiver Ort für Debatten über zeitgenössische künstlerische Verfahren erwiesen. Die unterschiedlichsten Veranstaltungen in originellen Formaten ziehen einen Besucherkreis an, der sich im Kunstraum an der Langstrasse über Kunst, Grafik, Design, Film und Musik austauschen kann. Corner College ist eine Diskussions- und Vermittlungsplattform, die mit grossem Interesse den aktuellen Strömungen in einem breiten kulturellen Feld nachspürt, ohne dabei in den einzelnen Bereichen an Sachkompetenz zu verlieren.»Quelle: Jurybericht der Eidgenössischen Preise für Kunsträume 2010, S. 3
«Das Corner College ist ein sehr aktiver und produktiver Ort für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen künstlerischen Verfahren. Trotz kleinem Budget verfügt der Kunstraum über ein vielfältiges und dichtes Programm, welches durch seine originellen Formate immer wieder überrascht. Auf lokaler Ebene wird der Austausch von Besuchern und Kulturschaffenden rege genützt und bindet auch die nahe gelegenen Hochschulen mit ein. Corner College konzentriert sich auf ein diskursives Format, das engagiert und sachkompetent den aktuellen Entwicklungen des Kulturbetriebs ein Diskussionspodium anbietet.»Quelle: Jurybericht der Eidgenössischen Preise für Kunsträume 2011, S. 3